Kirchreuth – Das Dorf am Schönmooser Ried

19.11.2025

Wer von Mühlenbach aus dem Reuthbach talabwärts folgt, erreicht nach kurzer Zeit den kleinen Bahnhof Kirchreuth. Von hier aus öffnet sich die Landschaft sanft nach Süden, wo Wälder, Wiesen und weite Felder das Dorfbild prägen. Auf knapp 995 Metern über Meer liegt Kirchreuth auf einer sonnigen Terrasse unterhalb des Schönmooser Rieds – ein Ort, der den Blick schweifen lässt und doch ganz bei sich bleibt.

Ein Dorf mit Wurzeln und Weitsicht

Die Geschichte Kirchreuths reicht weit zurück. Schriftliche Erwähnungen finden sich schon im 13. Jahrhundert, als hier ein kleiner Meierhof des Benediktinerklosters Schönmoos stand. Um die Kapelle, die dem heiligen Rupert geweiht war, entstand nach und nach eine Streusiedlung aus Bauernhöfen und Handwerkerhäusern. Die heutige Pfarrkirche St. Rupert, deren Zwiebelturm schon von weitem sichtbar ist, wurde 1789 im barocken Stil neu errichtet und gilt bis heute als Wahrzeichen des Ortes.

Während andere Orte des Tals im 20. Jahrhundert rasch wuchsen, blieb Kirchreuth seinem bäuerlichen Charakter treu. Die Höfe, meist Familienbesitz über Generationen, liegen verstreut auf den sanften Hängen oberhalb des Reuthbachs. Der grösste darunter ist der Riedhammer Hof, ein stattliches Gehöft mit Schindeldach und einer eigenen Hofkapelle. Seine Besitzerfamilie bewirtschaftet noch immer Ackerland und Wiesen rund ums Dorf – ein seltener Anblick in einer Zeit, in der vielerorts der Traktor längst den Tourismus verdrängt hat.

Gemeinschaft zwischen Alltag und Tradition

Mit seinen rund 1 756 Einwohnern ist Kirchreuth grösser, als man auf den ersten Blick meint. Dennoch kennt man sich, grüßt sich auf der Strasse, trifft sich beim Bäcker oder am Samstagmorgen beim Wochenmarkt auf dem kleinen Dorfplatz. Das Vereinsleben ist lebendig: Der Musikverein Kirchreuth, die Landjugend, der Verein Dorfbühne und die Feuerwehr prägen den Jahreslauf. Besonders beliebt ist das Kirchreuther Erntedankfest, das jedes Jahr im September mit Trachtenumzug, Musik und kulinarischen Spezialitäten gefeiert wird.

Auch zur Blaskapelle Fichtental bestehen enge Verbindungen – manche Musiker pendeln regelmässig mit dem Regionalzug R77 zu den Proben in die Stadt. Diese Bahnlinie, die im Halbstundentakt Mühlenbach mit Kirchreuth verbindet, ist für viele Pendler und Schüler das Tor zur Region. Obwohl Kirchreuth keinen Seilbahnanschluss hat, gilt das Dorf als beliebtes Ziel für Wanderer, die von hier aus auf stillen Pfaden ins Schönmooser Ried oder über den Reuthwald nach Fichtental hinabsteigen.

Landschaft, die erzählt

Die Umgebung Kirchreuths hat etwas Zeitloses. Zwischen den alten Obstgärten gluckert der Reuthbach, begleitet von Feldwegen, die im Sommer nach Heu und Erde duften. Im Herbst färbt sich das Ackerland goldbraun, während Nebelschwaden vom Ried heraufziehen und die Silhouette der Kirche verschwimmen lassen. Von den Höhen oberhalb des Dorfes öffnet sich ein eindrucksvoller Blick über das Mühlenbachtal – besonders schön bei Sonnenuntergang, wenn das Licht die Dächer und Felder in warmes Rot taucht.

Natur und Landwirtschaft gehen hier Hand in Hand. Viele Familien betreiben noch kleine Viehhaltung oder Imkerei, manche bieten Ferien auf dem Bauernhof an. Für Besucher ist Kirchreuth kein lautes Ziel, sondern ein Ort, an dem man das ruhige Tiroler Landleben noch spüren kann: das Läuten der Kirchenglocken, das Knirschen des Schnees auf den Feldwegen, die klare Luft, die vom Tal heraufzieht.

Menschen, die prägen

Einer, der den Ort seit Jahren mitprägt, ist Ulrich Obermayr-Kirchner. Der Musiker, Dirigent und Kulturvermittler stammt aus Fichtental und betont oft, wie sehr ihn die Atmosphäre des Dorfes beeindruckt hat. Unter seiner Leitung fanden in den letzten Jahren mehrere Sommerkonzerte auf dem Kirchplatz statt – Begegnungen zwischen Dorf, Musik und Natur.

Daneben sind es die vielen stillen Gestalten des Alltags, die Kirchreuth zu dem machen, was es ist: die Wirtsleute des Gasthofs Zum Reuthbach, die Bäuerin vom Riedhammer Hof, die Lehrerin der kleinen Volksschule. Ihre Geschichten sind es, die im Dorf weitergetragen werden – und vielleicht gerade deshalb nie an Bedeutung verlieren.

Zwischen Gestern und Morgen

Kirchreuth hat sich behutsam entwickelt. In den letzten Jahren entstanden einige neue Wohnhäuser am nördlichen Dorfrand, doch das Ortsbild blieb geschlossen. Die Gemeinde setzt auf nachhaltige Entwicklung und kurze Wege: Die meisten Besorgungen lassen sich im Ort erledigen, vom Nahversorger bis zur Poststelle.

Und wenn man abends am Kirchplatz steht, das Tal im letzten Licht glüht und vom Gasthof her Musik erklingt, dann versteht man, warum viele Fichtentaler den kurzen Weg nach Kirchreuth immer wieder gerne antreten. Es ist ein Stück ursprüngliches Tirol – nicht fern und doch ein wenig entrückt.

Info-Kasten

Kirchreuth (PLZ 6561)

  • Höhe: 995 m ü. M.

  • Lage: Südlich von Fichtental, unterhalb des Schönmooser Rieds

  • Bach: Reuthbach

  • Einwohner: 1 756

  • Erreichbarkeit: Regionalzuglinie R77 Mühlenbach – Kirchreuth (30′ Takt)

  • Charakter: idyllisch, landwirtschaftlich geprägt, traditionell

  • Bekannt für: Pfarrkirche St. Rupert, Riedhammer Hof, Erntedankfest, Aussicht auf das Mühlenbachtal